Warum den Gottesdienst besuchen?

Ein Interview mit Kirchenvorsteher Alrik Haug, geführt von Pfr. Dr. Nentel

N: Lieber Alrik, Du bist 40 Jahre alt, glücklich verheiratet, Vater von drei Töchtern, berufsmäßig stark eingespannt und seit 2012 im Kirchenvorstand bei uns in St. Matthäus tätig. Ich kann mir vorstellen, dass da vor allem an den Wochenenden wenig Freiraum für eigene Interessen, geschweige denn für einen Besuch des Gottesdienstes vorhanden ist.

A: Das ist richtig. Ich gehöre zu der großen Gruppe der 30 – 55 jährigen, die mitten im Leben steht und deren Alltag nahezu ausschließlich von Beruf und Familie geprägt ist.

N: Trotzdem besuchen du und deine Familie gerne die Gottesdienst in St. Matthäus. Wie kommt das?

A: Gerade weil wir als Familie festgestellt haben, dass das Leben hektisch und nur schwer planbar ist, stellt der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes für uns einen wichtigen Bestandteil dar.

N: Das klingt ja erst mal widersprüchlich. Kannst du das näher erklären?

A: Mit drei kleinen Kindern an einem Sonntag pünktlich um 9.30 Uhr in der Kirche zu erscheinen, ist sicherlich eine Herausforderung. Bereits der Gang zur Kirche aber ist wohltuend anders als der Rest des Alltags. Im Gottesdienst selbst erfahre ich dann immer wieder, wie ich zu innerer Ruhe und Gelassenheit zurückfinde. Es geht dann nicht mehr um mich und um die Anforderungen, die an mich gestellt werden.

N: Um was geht es dir dann?

A: Ich stelle jedes Mal fest, welche Kraft aus unserem Gottesdienst und aus unserem Glauben ausstrahlt. Dabei hilft mir gerade auch der feste und gleichmäßige Ablauf des Gottesdienstes. In einer Zeit in der sich alles in einem ständigen Wandel befindet, finde ich hier Halt und Beständigkeit.

N: Gibt es bestimmte Teile des Gottesdienstes, die dir besonders gefallen?

A: Das gemeinsame Singen und Beten, die Predigt oder auch das Abendmahl sind für sich genommen stets etwas Besonderes. Ich verstehe den Gottesdienst allerdings mehr als eine Art Gesamtkunstwerk. Durch das Zusammenspiel sämtlicher Elemente, Abläufe und Rituale entfaltet der Gottesdienst seine volle Wirkung.

N: Welche Wirkung hat der Gottesdienst dann auf dich?

A: Vieles von dem, was in der Woche oder im Alltag zu kurz kommt, wird mir im Gottesdient wieder gegenwärtig. Ohne mich verstellen oder jemandem gefallen zu müssen, kann ich ganz frei zuhören, den liturgischen Ablauf auf mich wirken lassen und den biblischen Worten folgen. Dabei bin ich immer wieder überrascht, wie aktuell die Geschichten und Erzählungen sind, die in unserer Bibel seit tausenden Jahren geschrieben stehen.

N: Kannst du uns ein Beispiel dafür nennen?

A: Seit Monaten prägen Flucht, Vertreibung, Unterdrückung und Verfolgung die Überschriften unserer Medien. Kein Tag vergeht ohne neue Schreckensmeldungen über ertrunkene Kinder, zerrissene Familien und wahnwitzige Despoten, die ihr Land in den Abgrund treiben. Vor diesen Geschehnissen erstarren wir und unsere politischen Verantwortlichen förmlich. All das sind aber Geschichten und Zustände, wie sie sich auch in der Bibel immer wieder finden. Leider aber scheint der Mensch nicht genug aus seiner Vergangenheit gelernt zu haben. Ohne einen festen Glauben und ein Gottvertrauen darauf, dass die Lösung all dieser Konflikte und Notfälle eben nicht allein in menschlichen Händen liegt, könnte ich diese Zeiten schwer ertragen. Gerade auch wenn ich meine Kinder vor Augen habe, denen ich eine möglichst friedliche und sorgenfreie Zukunft wünsche. Im Gottesdienst finde ich für dieses Vertrauen meine regelmäßige Bestätigung.

N: Vielen Dank für die persönlichen Worte.